Freiburg - Wahlwies - Freiburg im Mai 2011

 

Kaum lief meine Vespa 50 Spezial Bj 77 zum ersten Mal, ging es sofort an den Bodensee. Um genau zu sein nach Wahlwies / Stockach auf den lakescooters-run, einem der größten Vespatreffen im Süden Deutschlands. Mein treuer Schrauberkumpel Kevin begleitete mich auf meiner Vespa PK50 XL2.

Irrsinn.

Die Spezial hatte ich auf eine besonder Art und Weise abgestimmt: gar nicht! Die Hauptdüse wurde einfach frei nach Gusto mit einem Zahnarztbohrer vergrößert, eingebaut und nie wieder angefasst. Die Zündung war nach Augenmaß eingestellt.

Mit der PK war es kaum anders: bis wenige Minuten vor Abfahrt lag der Motor noch neben dem Fahrzeug. Am Abend hatte ich entschieden, eine längere Primärüberstzung von 3.72 einzubauen, damit auf der langen Strecke zwischenzeitlich eine höhere Endgeschwindigkeit erziehlt werden könnte. Soweit die Theorie. In der Praxis mussten wir aber erst den steilen Schwarzwald bezwingen...

Aber eins nach dem anderen. Mittags wurde angefangen, die Nacht wurde hindurchgeschraubt, neue Gehäusedichtung und Simmerringe hatten wir nicht. Also nur die originale Primär gegen die 3.72er getauscht und wieder zusammengebaut. 3.50er Hinterreifen auf GS Felge. Fertig. Abfahrt.

Der 102ccm Polini zog mich auf der Spezial problemlos den Schwarzwald hinauf. Aber die PK mit den spärlichen 75ccm, der längeren Übersetzung, dem großen Hinterrad (was durch den größere Umfang die Überstzung zusätzlich verlängert) und dem schwereren Fahrer samt Gepäck, quälte sich im 1. Gang sehr an den Steigungen.

In den Serpentinen hoch zum Spirzen wurde die PK immer langsamer. Also hielten wir an und ließen sie ein wenig verschnaufen. Der Motorblock war extrem heiß und bei genauer Betrachtung schien der Reifen zu qualmen. Es schien nicht nur so. Er qualmte wirklich. Schnell wurde klar wieso: Er rieb an der Innenseite der Motortraverse, direkt auf dem Aluminium des Gehäuses. Zu breiter Reifen (normal ist ein 3.00er verbaut, kein 3.50er), zu viel Zuladung.

Na toll. Immerhin trägt eine vollausgestattete PK ein Ersatzrad unter der linken Backe. Der Reifen war zwar völlig abgenutzt (was uns später noch zum Verhängnis werden sollte), aber wenigstens schliff er nicht am Motor. Während wir das Rad wechselten, hörten wir ein Grummeln in der Ferne. Bergab zwischen den Wipfeln. Es kam immer näher. Zwei andere Vespas!

Wenn ich mich richtig erinnere, war es eine graue, laute V50 mit großem Kennzeichen und eine dunkelblaue Sprint. Sie waren offensichtlich auch auf dem Weg nach Stockach. Bloß gefühlt mit Lichtgeschwindigkeit, nicht im Schneckentempo so wie wir. Die Fahrer hielten und fragten, ob sie helfen könnten. Aber wir hatten alles dabei. So verabredeten wir uns auf "um halb am Tresen", und die beiden bretterten wieder los. Mit 100 Sachen den steilen Berg rauf. Davon konnte ich damals nur träumen. "Ich Anfänger", dachte ich.

Naja, der Reifen war gewechselt, der Motor war ein wenig abgekühlt, es konnte weitergehen. "Klack". Mit einem metallischen Geräusch verabschiedete sich mein Bremhebel für die Vorderradbremse. So ein Ärger. Ich Anfänger hatte eine Bowdenzug mit konischem Ende verbaut, wusste aber nicht, dass da noch eine zylindrische Tonne drangehört. Der Hebel war futsch, es blieb nur die Hinterradbremse.

Jetzt ging es erstmal weiter bergauf.

Irgendwann, gefühlte zwanzig Motorentode später, waren wir etwas weiter oben. Ich glaube, einige Kilometer südlich hinter St. Märgen. Kleine Pause. Dann weiter nach Eisenbach. Dort verfahren, plötzlich waren wir wieder in einem Kaff, das wir schon vor 15 Minuten passiert hatten. Dann Donaueschingen. Umleitung. Passanten nach dem Weg fragen. Wieder verfahren.

Wir standen am Straßenrand. Ohne Karte, ohne Navi, Smartphones hatten wir noch nicht. Genervt grübelten wir, in welche Himmelsrichtung wir nun weiterfahren sollten.

Da donnerten plötzlich drei Maschinen wie der Blitz an uns vorbei. Scheinbar ein Motorrad und zwei Vespas. "Los spring auf, hinterher! Die kennen vielleicht den Weg", brüllte ich meinem Kumpel zu, nahm Anlauf und fiel beinahe samt Vespa in den Graben. Ich ruderte wie wild mit den Armen, aber sie hatten mich nicht gesehen und waren schon längst an uns vorbeigezogen. Die lange Gerade an Geisingen vorbei war unseren Motoren herzlich willkommen. Ohne Steigung lief die PK fast 75 Km/h und die Spezial knackte sogar die 80 Sachen. In der Ferne donnerten uns die drei anderen Maschinen voraus. Bloß nicht vom Gas gehen, immer weiter hinterher! Langsam schlossen wir auf. Dann kam eine Kurve mit Steigung. Wieder waren sie weg. Endlich wieder eine lange Gerade, wir schlossen auf. Ein altes, laut schepperndes Motorrad, eine gelbe Vespa Sprint mit Resonanzauspuff und eine blaue Vespa Spezial, welche wohl die Langsamste im Bunde war.

Sie grüßten und wir fuhren im Korso einige Kilometer weiter, bis wir nach einem steilen Anstieg in einer Kurve zum Stehen kamen. Wir waren am Hegaublick!

Die drei vom Hegaublick sind der Knaller.

Drr Duke auf seinr Vorkriegs-Viktoria Kr25 Aero, drr Gaga mit seinr gelben Sprint und drr Kaisr mit drr Veschpa Spezial und 75ccm.

Herrlich!

Erstmal ein Bier schoppen aufm Hegaublick. "Hegaublick" ist nicht gelogen, die Aussicht ist einfach der Wahnsinn von da oben. Wir waren völlig begeistert.

Im Tiefflug den Berg hinab, raste die bunte Truppe die restlichen 30 Kilometer bis nach Wahlwies. Die Victoria schoss dumpf knatternd kleine Flammen aus dem Vergaser, meine Vespa pfiff ohrenbetäubend und die gelbe Sprint röhrte aus dem Resonanzauspuff. Noch nie war ich vorher im Konvoi gefahren, noch nie hatte ich vorher so viel Spaß. Doch all das wurde völlig übertroffen, als wir auf den Platz rollten. Das Schauspiel, welches sich uns dort bot, war kaum zu beschreiben.

Überall fuhren Vespas in allen Farben, Formen und Lautstärken. Ich war völlig hin und weg. Endlich hatte ich den Zugang zu Leuten, die genau das machten, was ich schon immer tun wollte: Vespafahren in Reinkultur.

Es war wirklich überwältigend für einen Anfänger wie mich.

Wir kamen gerade noch rechtzeitig an, um die letzten Prüfstandsläufe zu erleben.

Nach endlosen Benzingesprächen und wilder Feierei mit Lagerfeuer, Band, Bier und Partyzelt verging die erste Nacht.

Am Sonntag fand das Beschleunigungsrennen statt. Ich konnte mir ehrlichgesagt noch nicht so viel darunter vorstellen, aber alle sagten, dass man sowas mal gesehen haben müsse. Also fuhren wir in einer der Gruppen hinterher, die sich vom Gelände in Wahlwies auf ins Industriegebiet von Singen machten. Der Weg war nicht weit, aber sehr schön.

Und dann das Rennen. Es war äußerst spektakulär, wie die 30 PS - Monster brüllend am Publikum vorbeischossen.

 

 

Völlig beeindruckt fuhren wir am Nachmittag vom Rennen noch eine kleine Runde an den Bodensee um die Seele in der warmen Sonne baumeln zu lassen.

Zurück auf dem Gelände wurde natürlich weitergefeiert, wieder mit Benzingesprächen, Musik, Bier und Spaß. Und dann war es plötzlich schon Montag.

Die Rückreise stand an.

Müde bauten wir die Zelte ab und packten unsere Sachen zusammen.

 

Erst rauchte dem Kaiser sein 75ccm Zylinder ab, dann verirrten wir uns im Schwarzwald und zu allem Überfluss machte Kevin noch die Bordsteinschwalbe. Im Rückspiegel konnte ich seinen Salto Mortale erkennen. Zum Glück hatte er nichts abbekommen und auch die Vespa hat den Sturz und starke Schäden überlebt...

Irgendwann fing es dann an zu Nieseln und wurde schlagartig eiskalt. Da haben wir uns in einem kleinen Unterstand Maultaschen auf dem Gaskocher warm gemacht und ein wenig gewartet bis das Wetter besser wurde. Aber viel tat sich nicht und der zum stärker werdenden Regen kam Nebel hinzu. Irgendwann fuhren wir in der Hoffnung weiter, dass sich das Wetter Richtung Heimat bessern würde. Und das tat es auch. Vor uns lagen lange, weite Abfahrten. Ab Sankt Peter schien die Sonne und es wurde wärmer etwas wärmer. Bald öffnete sich der Schwarzwald zu unseren Seiten und erlaubte einen Blick auf unser das in der Ferne liegende Ziel: Freiburg. Im warmen Fahrtwind des Dreisamtals rauschten wir dem Ende meiner ersten großen Reise entgegen.