Reisebericht Kiel - Fürstenwalde - Kiel vom 16.07. - 20.07.2015

 

Unterwegs auf der Vespa nach Berlin, oder: „Ich wollte nur mal eben meine Freundin besuchen...“

 

Da es keine adäquate Mitfahrgelegenheit gab und ich keine Lust auf den Fernbus hatte, habe ich mich einfach auf die Pedalo gesetzt und bin losgeheizt. Das Wetter war perfekt, der Motor lief gut, über 400 Kilometer Autobahn vor mir.

Die Hinfahrt verging einigermaßen ruhig. Lediglich die 2-Liter-Motulöldose, die ich als Spritkanister dabei hatte, schlug an der Naht leck und tropfte ihren Inhalt auf mein Trittblech. Um etwa 11 Uhr gings los und um 19 Uhr hatte ich ein kühles Hopfen am Ziel in der Hand.

Die Rückfahrt war schon etwas aufregender. Nicht ganz auf halber Strecke bemerkte ich hinten einen Plattfuß. Das Ventil war hinüber und verlor kontinuierlich Luft. Nur die Ventilkappe hielt die Luft davon ab, in aller Schnelle zu entweichen. Also musste an der Raststätte schnell das Hinterrad gewechselt werden. PM40 ab, PM40 dran, fertig. Dabei stellte ich auch fest, dass das Hinterrad schon fast die Hälfte seiner acht M8 Befestigungsbolzen verloren hatte. Ein wenig erschreckend, wenn man bedenkt, dass zwischenzeitlich Geschwindigkeiten von bis zu 120 Km/h erreich werden. Schuld daran war wahrscheinlich eine krumme Felge und der platte Reifen, der aufgrund der fehlenden Luft viel auf der Felge gearbeitet hat. Die Vibrationen und lateralen Kräfte haben dann die zu lose angezogenen M8 in die Flucht geschlagen. Nun, für solche Fälle habe ich ja Werkzeug, Ersatzschrauben, Luftpumpe und Ersatzrad dabei.

Nach nur einer Viertelstunde konnte ich bereits weiterfahren. Dann folgte die Sperrung der A24, weswegen eine weite Umfahrung in Kauf genommen werden musste. Erst einmal musste ich mich durch den kilometerlangen Stau kämpfen. Entweder per Seitenstreifen oder in der Mitte zwischen LKWs und genervte Autofahrern. Vorbei an der freundlich winkenden Polizei, die völlig unbeeindruckt von meinem Manöver war und vielmehr Interesse an meiner Vespa zeigte. Ich brauchte dringend Fahrtwind und war froh, endlich wieder ein wenig Gas geben zu können. Über Land zeigte sich die Gegend von ihrer schönsten Seite mit reifen Kornfeldern, gesäumt von sattem Grün.

Auch die nächste Auffahrt war noch gesperrt, so dass ich noch einmal durch die Gegend gondeln konnte. Die Landstraße war eine angenehme Abwechslung zur Autobahn, aber man kommt einfach längst nicht so schnell vom Fleck.

Endlich wieder auf der Autobahn, hab ich sofort den Hahn bis zum Anschlag aufgemacht.

Tja, und durch die Vibrationen auf den unebenen Landstraßen hatte es wohl den Verschluss der Seitenklappe gelöst. Plötzlich schepperte es, und weg war sie. Ich hielt sofort auf dem Seitenstreifen und rannte hinter der Leitplanke zurück, konnte aber nichts finden. Also, wer irgendwo auf der A10 / A24 eine hellblaue V50 Seitenklappe findet, bitte bescheid geben ;)

Ersatz ist schon auf dem Weg zu mir.

Die Weiterfahrt verlief ruhig, die Straßen waren angenehm leer. Nur kurz vor Bad Segeberg ging mir um ein Haar der Sprit aus. Und mein Handy wollte mich unbedingt zu einer 15 Kilometer entfernten Aral-Tankstelle leiten, aber nicht zur nächsten Tankstelle. Glücklicherweise ist auf meine Jungs aus Kiel verlass, die mir schnell per Whatsapp den Weg zur nur 4 Kilometer entfernten Star Tanke in irgendeinem Kaff.

Puh. Ab nach Hause. Wieder eine Tour von 11 bis 19 Uhr. Geschafft.

Knapp 1000 Kilometer, einen abgefahrenen und platten Reifen später, fast einen Liter Öl und etwa 40 Liter Sprit verqualmt.

 

Soweit der Reisebericht. Da er eher kurz und weniger spektakulär ausfällt, aber mir während der Fahrt einige Fragen kamen, habe ich mir über folgende Themen Gedanken gemacht:

 

1. Was ist gutes Tourenwetter?

 

2. Die Spritproblematik - wie viel Reserve benötige ich?

 

3. Das Autobahngetriebe - wie lang darf die Übersetzung sein?

 

4. Vergaservoodoo

 

Diese Fragen kamen mir während der Fahrt in den Sinn, und ich hatte eine Menge Zeit, über sie zu philosophieren.

 

 

1. Was ist gutes Tourenwetter?

 

Gutes Wetter ist, wenn die Sonne scheint und man sich im Shirt in den Gartenstuhl fletzen kann, Sonnenbrille auf, Bierchen in der Hand.

Das mag auch gerne für eine kurze Nachmittagsausfahrt gelten.

Doch für eine längere Vespatour gibt es ein anderes „gutes“ Wetter, wie mir meine Erfahrung gezeigt hat.

 

Nämlich leicht bewölkt, etwas über 20°C, wenig Wind, trocken.

 

Warum? Das werde ich nun gerne erläutern.

 

Leichte Bewölkung ist sehr angenehm zum Fahren. Bei strahlendem Sonnenschein wird man oft direkt und indirekt geblendet (indirekt durch reflektierende Oberflächen), der Wechsel zwischen Licht und Schatten irritiert stark, besonders wenn man durch eine Allee fährt. Das macht das Fahren bei Sonne auf Dauer äußerst anstrengend für die Augen, und dabei ich rede von einem halben oder ganzen Tag Fahrt am Stück. Nahe liegt nun natürlich die Frage: „Warum nicht einfach eine Sonnenbrille aufsetzen?“

 

Nun, sie behebt den Wechsel zwischen Licht und Schatten nicht und schränkt die Sicht oft ein. Auch neigen manche Sonnenbrillen zur Eigenreflexion. Und wenn man durch einen Tunnel fährt, ist man im Blindflug unterwegs. Einmal hätte ich mich beinahe abgepackt, als ich vergessen hatte, meine Sonnenbrille vorm Elbtunnel abzunehmen.

Deshalb ist das diffuse Licht bei leichter Bewölkung deutlich angenehmer zum Fahren auf langen Strecken.

Der nächste Aspekt ist die Temperatur.

 

Ich bin ein großer Freund von einigermaßen angepasster Klamotte. Lederjacke und Handschuhe sind Pflicht, einfach aus Sicherheitsgründen. Optimal dazu wären noch eine Kombihose und gutes Schuhwerk. Und schon nur mit Jacke, Helm und Handschuhen schwitzt man enorm schnell im Sommer. Ich bin in dieser Montur schon bei über 40°C im Schatten 700 Kilometer Autobahn gefahren. Das macht kein Spaß. „Aber es gibt doch noch den Fahrtwind!“. Der angenehme Fahrtwind ist tückisch. Er sorgt neben der Temperatur für eine extrem Starke Austrocknung. Man verliert beim Fahren äußerst viel Flüssigkeit nur durch den Fahrtwind, ohne dass man schwitzt. Viel trinken ist das A und O.

 

Aber nicht nur der Mensch leidet unter hohen Temperaturen, sondern auch die Maschine. Gerade wenn man mit hoher Leistung und Beanspruchung unterwegs ist, wird der Motor heißer als im Kurzstreckenbetrieb. Und zwar nicht, weil der Zylinder an sich wärmer wird, sondern viel mehr, weil sich einfach ALLES aufheizt. Der ganze Motorblock samt Getriebeöl und insbesondere das ganze Rahmenheck. So wird der Motor heißer als gewohnt, da er nicht nur die eigene Hitze durch die Last zu spüren bekommt, sondern auch noch die ganze Stauwärme vom bis zu 80°C heißen Blech des Rahmens. Direkte Sonneneinstrahlung und hohe Außentemperatur machen das

Problem nicht besser. Man bedenke, wie warm ein schwarzes Autodach im Sommer alleine durch die Sonne werden kann: über 100°C.

Ich habe für den Fall der Fälle lieber etwas thermische Reserven, damit ich keinen Klemmer bekomme, falls irgendwas anderes mit dem Motor nicht stimmt.

Nun zum schlechten Wetter. Eigentlich gibt es kein schlechtes Wetter, nur unausreichende Kleidung. Aber ne flatternde Regenjacke, lange Unterhose und dergleichen ist nicht nur schnell unbequem und braucht viel Platz, man muss auch tief in die Tasche greifen, um gute Qualität zu erhalten. Unter 20°C wird der Fahrtwind schnell ziemlich Kühl. Und es gibt kaum was nervigeres als schlotternd auf dem Bock zu hocken. Der Körper muss heizen, was enorm anstrengend und ermüdend ist. Abends im Bett heizt der Körper nach, was zu Hitzewallungen und Schweißausbrüchen führt. Kalte Taube Finger und Füße sind der Konzentration ebenfalls nicht sonderlich zuträglich.

Regen mag man nicht beim Fahren. Das ist nass, beschränkt die Sicht, kriecht in die Elektrik, ist nass und tangiert außerdem den Grip der kleinen Vespareifen in nicht unerheblichem Maße negativ.

Zu guter letzt: der Wind. Wind wirft einen auf der Straße hin und her. Mit den kleinen Rädern kein Spaß. Und wenn man den Kopf hebt um in den Spiegel oder über die Schulter zu sehen, ändern sich die Windgeräusche am Helm schlagartig. Einmal wäre ich fast von der Vespa gefallen, weil urplötzlich beim wenden des Kopfes am Helm ein schrilles Windpfeifen entstand...

Zu allem Überfluss wirbelt der Wind Staub, Blätter und Sonstiges durch die Gegend. Wer hatte schon alles einmal beim Fahren wie aus dem Nichts irgendetwas im Auge? Oder erschrak, weil ein Laubblatt aufs Visier oder auf die Brille klatschte?

Nein, Wind mag man echt nicht unbedingt haben.

Ich denke, ich habe umfassend ausgeführt, warum ich leicht bewölktes, etwas über 20°C warmes, wenig windiges und trockenes Wetter zum Fahren bevorzuge!

 

 

 

2. Die Spritproblematik - wie viel Reserve benötige ich?

 

Ich bin schon oft trocken gelaufen. Ich musste schon oft schieben. Ich habe schon oft geflucht und mich über mich selber geärgert. Aber bislang habe ich wenige Meter weiter Hilfe gefunden. Immer war um die nächste Ecke unerwartet eine Tankstelle oder ein hilfsbereiter Mensch, der zufällig einen Kanister Sprit in der Hand hatte. Mehrfach so geschehen!

Aber ich fürchte mich davor, dass dem einmal nicht so ist.

Zwei Szenarien fürchte ich besonders. Nachts außerorts, wenn keine Tankstelle mehr offen ist, und irgendwo auf der Autobahn, am schlimmsten in einer Baustelle ohne Seitenstreifen und mit betonierter Fahrbahnbegrenzung.

Eigentlich ist die Tankstellendichte in Deutschland nicht zu beklagen.

Als Vespafahrer muss man sich an die eigene Nase fassen. Extremer Verbrauch und winziger Tank sind die Geißel des Vespatourers. Die Smallframe hat ein Tankvolumen von etwa 5 Litern. Ein potenter Motor von 15 - 20 PS gönnt sich gerne mal 5 Liter auf 100 Kilometer. Dies seien nur Anhaltspunkte für ein einfaches Rechenbeispiel. Eine Reichweite von 100 Kilometern ist nicht furchtbar wenig, aber auch nicht besonders viel. Fast alle Motorräder, auch solche aus der Epoche der Vespa, haben mehr Tankvolumen. Moderne Autos haben Reichweiten von bis zu 1000 Kilometern. Die 100 Kilometer unserer Smallframe werden jedoch deutlich eingeschränkt durch die Tankstellendichte. Es ist äußerst nervig, wenn man auf der Autobahn gerade getankt hat und sich die nächste Tankstelle in nur 30 Kilometern ankündigt. Die folgende Tankstelle ist aber knapp über 70 Kilometer entfernt. Also muss man entweder einen deutlich verfrühten Tankstop in Kauf nehmen oder auf Sparflamme zitternd und hoffend die 100 Kilometer durchfahren. Von der Autobahn abfahren kostet Zeit und bringt auch nicht immer die Garantie, dass es Sprit in nächster Nähe gibt.

Auf Bundesstraßen schien mir das Tankstellennetz dichter und die Umwege, um im Zweifelsfall eine Tankstelle zu finden, kürzer zu sein.

Außer Nachts. An der Autobahn haben die Tankstellen fast ausschließlich durchgehend offen. An Bundesstraßen nur die wenigsten. An Landstraßen und kleineren Straßen so gut wie nie. Nur wenige 24h-Tanken mit Tankautomaten finden sich auf Anhieb entlang der Route.

Also was tun? Verbrauch mindern, Tankvolumen erhöhen? Prinzipiell ja, aber meist nur mit viel Aufwand realisierbar.

Hier soll es nun vielmehr um die richtige Menge Reservesprit gehen, um Kanister und um Unterbringungsmöglichkeiten.

 

 

 

3. Das Autobahngetriebe - wie lang darf die Übersetzung sein?

 

Meine Antwort steht fest: so lang wie möglich!

Dafür sprechen viele Argumente.

Jedes Mal, wenn sich der Kolben einmal auf und ab bewegt, wird Sprit verbrannt. Passiert das pro Minute oft, also bei hohen Drehzahlen, wird viel Sprit verbrannt. Passiert das pro Minute seltener, also bei niedrigen Drehzahlen, wird wenig Sprit verbrannt. Das klingt simpel und trivial. Zugegeben, dieser Vergleich dient zur Verdeutlichung und wird der tatsächlichen Komplexität des Zusammenhangs zwischen Verbrauch und Drehzahl nicht gerecht. Ausschlaggebend sind Reibung und Spülverluste. Bei jedem Takt geht auf diese Weise Energie verloren. Wenn der Motor durch eine längere Übersetzung weniger Takte benötigt um die seine Arbeit zu verrichten, dann wird die Energie jener Takte gespart, die er mit einer kurzen Übersetzung (also hoher Drehzahl) mehr machen würde. Also darf man grob sagen: weniger Drehzahl, weniger Verbrauch. Vorausgesetzt, der Motor ist einigermaßen abgestimmt. Das Gleiche gilt für den Verschleiß und die Hitzeentwicklung.

 

 

Ein kleines Rechenbeispiel:

 

 - ein kurz übersetzter Motor mit 2.86er Primär, 3.00er Hinterrad und original 4-Gang Getriebe läuft bei 8100 u/min genau 100 Km/h. Um 100 Kilometer zurückzulegen dreht er 486000 Mal

 

 - ein länger übersetzter Motor mit 2.86er Primär, 3.00er Hinterrad und original 4-Gang Getriebe läuft bei 7200 u/min genau 100 Km/h. Um 100 Kilometer zurückzulegen dreht er 432000 Mal

 

- ein lang übersetzter Motor mit 2.86er Primär, 3.00er Hinterrad und original 4-Gang Getriebe läuft bei 6600 u/min genau 100 Km/h. Um 100 Kilometer zurückzulegen dreht er 396000 Mal.

 

Der lang übersetzte Motor macht auf 1000 Kilometer 900000 Umdrehungen weniger als der kurz übersetzte Motor.

Nun, in der Realität, wäre es ein Trugschluss zu behaupten, ein Motor, der nur halb so schnell dreht, läuft doppelt so lange. So einfach sind die Zusammenhänge leider nicht. Aber die Tendenz bei diesem Vergleich wird klar. Fürs Reisen ist eine niedrige Drehzahl von Vorteil.

Auch wenn die Beschleunigung schlechter wird und man unter umständen bei Gegenwind und am Berg deutlich langsamer wird, lohnt sich eine lange Übersetzung bei langen Strecken mehr als eine Kurze.

Am meisten zählt die Durchschnittsgeschwindigkeit für das schnelle Vorankommen.

 

 

 

4. Vergaservoodoo

 

Die Karre läuft gut, wenn sie zu bedienen weiß. Besonders der Vergaser sorgt immer wieder für spannende Erlebnisse.

 

Es handelt sich um einen Dellorto PHBH 30mm. Abgestimmt ist er nicht. Zumindest nicht wirklich. Standgas ist nicht vorhanden, Teillast viel zu fett, und bei Vollgas muss man den Gashahn ein minimales Stück zurückdrehen - sonst klemmt der Zylinder. So schon mehrfach passiert. Damit fahre ich seit 1,5 Jahren ohne Probleme. Natürlich ist es gewöhnungsbedürftig, natürlich verrußt die Kerze bei langsamer Fahrt und natürlich ist es gefährlich auf der Autobahn einen Kolbenfresser zu riskieren.

 

Doch das Teil funktioniert besser als manch penibel abgestimmter Vergaser...

In meiner Philosophie sollte ein Vergaser idealerweise wie folgt eingestellt sein: ein bisschen zu fett.

 

Die maximale Drehzahl wird von der etwas zu großen Hauptdüse begrenzt. Irgendwann „läuft der Motor gegen die Düse“. Und auch der Teillastbereich darf ein bisschen zu fett sein. Warum? Einfach um Reserven zu haben. Wird ein Simmerring undicht, rüttelt sich irgendwo eine Schraube lose, löst sich der Vergaser vom Flansch (was mir schon sehr häufig passiert ist), dann spürt man schnell, dass der Motor magerer läuft. Mittlerweile höre ich es sofort am helleren Klang.

 

Das prüfe ich öfters. Kurz auskuppeln, ein paar kurze Gasstöße geben, lauschen, einkuppeln. Wenn der Motor dann ein dumpfes, knuspriges Viertakten von sich gibt, weiß ich, dass alles in Ordnung ist. Zudem geben kurze Gasstöße extra Schmierung, da viele Vergaser (gewollt und ungewollt) dazu neigen, beim schnellen Aufreißen stark anzufetten!